Roland Kasper arbeitet seit Herbst 2019 bei der RIVA Engineering. Als Professor für Mechatronik kommt er direkt von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg nach Backnang. Hier will der 65-Jährige vollenden, was er in Sachsen-Anhalt begonnen hat: Einen Radnabenmotor für Autos entwickeln und zur Serienreife führen.
Herr Prof. Kasper: Wieso braucht die Welt Ihren Radnabenmotor?
Wir sind in der Mobilität an einem spannenden Punkt angekommen. Alternative Antriebe wie Elektromotoren oder die Brennstoffzelle entwickeln sich und lösen den Verbrenner ab. Damit verändert sich auch der Aufbau des Autos, wie wir ihn kennen. Kolben, Motorblöcke und Getriebe fallen weg. Fahrzeuge der Zukunft haben viel mehr Raum zur Verfügung. Auch, wenn aktuelle Modelle das noch nicht zeigen, weil sie wie umgebaute Verbrenner von den Bändern rollen. Der Radnabenmotor wird diesen Wandel beschleunigen, weil er, wie der Name schon sagt, an der Radnabe sitzt, da wo wir heute noch Bremsscheiben sehen, wenn wir Reifen wechseln.
Prof. Roland Kasper mit einem Prototyp des In-Wheels.
Der Radnabenmotor wird mit Strom betrieben, die dafür notwendigen Kupferspulen sind schwer. Ist ein E-Motor, der am Rad sitzt, überhaupt fahrbar?
Und wie! Unsere aktuellen Prototypen wiegen unter 20 Kilogramm. Also deutlich weniger als das Rad an sich, das etwa 25 Kilo wiegt. Darauf sind wir sehr stolz. Einen leichteren Motor hat keiner und unserer hat dazu noch ein ordentliches Drehmoment von 600 Newtonmeter (Nm), was einer Leistung von 60 bis 70 Kilowatt (kW) entspricht. PS-Fans wissen, das sind rund 95 Pferdestärken. Pro Rad. Damit kann man sehr sportlich und gleichzeitig ökologisch unterwegs sein. Und weil der Motor so leicht ist und jedes Rad einzeln gesteuert werden kann, wird die Fahrsicherheit sogar verbessert.
Was ist die technische Herausforderung bei der Entwicklung eines solchen Motors?
Ich bin Mechatroniker und habe mich mit Aktorik befasst. Unser Motor ist ein spezieller Aktor, der auf engstem Raum sehr hohe Drehmomente direkt im Rad erzeugen kann – ohne dass er dabei zu schwer wird.
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand?
Das ist Betriebsgeheimnis. Sagen kann ich jedoch, dass wir bis Ende 2020 verschiedene Versuchsfahrzeuge mit Radnabenmotoren ausstatten und Fahrversuche durchführen wollen. Darunter einen Viersitzer mit einem Gewicht von 1600 Kilogramm: Das Fahrzeug wird mit zwei Motoren an der Hinterachse angetrieben. Kommendes Jahr soll dann die Fertigungslinie aufgebaut werden. Dann wollen wir den Radnabenmotor in Serie produzieren. Dafür benötigen wir entsprechende Maschinen; und weil unser Motor eine Neuentwicklung ist und mit Luftspaltwicklung funktioniert, müssen diese erst entwickelt und gebaut werden.
Was sind denn die Herausforderungen bei der Produktion?
Wir wollen die Motoren in maximal 15 Minuten montiert haben. Dafür muss die Fertigungslinie störungsfrei laufen. Davor brauchen wir die passenden Elektroingenieure, die die Entwicklung vorantreiben. Diese zu finden, gestaltet sich im Moment jedoch schwierig.
Wie sind sie eigentlich darauf gekommen, einen Radnabenmotor zu bauen?
Noch an der Uni haben wir vor acht Jahren geschaut, welche Motoren kann man am leichtesten bauen. Im Kleinmotorenbereich gibt es einige Unternehmen, die leichte Motoren herstellen. Sie nutzen die Luftspaltwicklung. Diese Idee haben wir aufgegriffen und dem Motor ordentlich Power verpasst. Zum Vergleich: Kleinmotoren liegen bei 0,5 Nm, wir bei 600! Das ist eine andere Welt, auch von der Kühlung her. An der Uni haben wir den Leistungsnachweis erbracht, dass es möglich ist, so einen Motor herzustellen. Dort hatten wir allerdings nicht die Möglichkeit, so ein Modell in Serie zu produzieren.
Dann haben Sie Hermann Püttmer kennen gelernt…
Ja, über ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Fraunhofer-Institut in Chemnitz zum Thema Aluschaum, den wir auch einsetzen wollten für den Antriebsrotor. Mit Herrn Püttmer waren wir schnell einig, wir wollen diese innovative Idee voranbringen. Man stelle sich nur mal vor: Der Radnabenmotor startet von Backnang aus seine Erfolgsgeschichte…