Sympathische Sportlerin: Emelie Petz.
Wie die Corona-Pandemie Leistungssportler trifft, erfahren nicht nur Bundesliga-Fußballer, die in leeren Stadien kicken. So blieben beim Stuttgarter Turnzentrum vier Wochen lang die Türen geschlossen. Das bedeutet Home-Training für Top-Turnerin Emi Petz aus Backnang. Doch Saltos können schlecht im Vorgarten geübt werden, oder Emi?
Emi: Nein, mein Leben sah die letzten Wochen sehr anders aus, als sonst. Corona hat alles gestoppt. Ich konnte vier Wochen lang nicht im Leistungszentrum trainieren. Üblicherweise trainiere ich täglich in zwei Einheiten zu jeweils drei Stunden. Ich war also zuhause und hatte nicht mal Schule. Trotzdem musste ich mich irgendwie fit halten. Das war eine ganz neue Erfahrung.
Wegen Corona findet das Interview im Freien statt. Wir treffen Emi vor ihrer Turnhalle in Bad Cannstatt. Der Himmel ist grau und wolkenverhangen. Im Laufe des Gesprächs fängt es an zu nieseln… Zwei Wochen nach dem Lockdown kam die Nachricht, dass Olympia verschoben wird.
Das war krass, auf einmal hatte ich kein Ziel mehr vor Augen. Da stand ich dann erstmal doof da. Aber jetzt geht es wieder aufwärts. Ich trainiere seit zwei Monaten wieder in der Halle und bin sehr zufrieden mit meiner Leistung. Es fühlt sich gut an. Auch meine Rückenverletzung habe ich in der Zwangspause auskurieren können.
Dein Heimatverein hat dir einen Balken geliehen – konntest du damit trainieren?
Ja, das war ein kleiner Holzbalken, er stand tatsächlich in unserem Garten. Ich konnte darauf ein bisschen was ausprobieren, aber ein richtiges Training, wie in der Halle, ersetzt das natürlich nicht.
Wie waren sie denn, die Trainings nach der Zwangspause?
Es war hart. Ich habe mich bei den ersten Einheiten so unbeweglich gefühlt wie eine Kartoffel. Und dass, obwohl ich mich vier Wochen lang fit gehalten habe. Ich lag ja nicht faul auf dem Sofa. Aber es war schon schwer und der Muskelkater heftig.
Du bist mit deiner Mutter joggen gegangen?
Oh ja, leider. Ausdauersport ist echt nichts für mich. Ich bin eher so der Typ AirPods ins Ohr, loslaufen und froh sein, wenn die 40 Minuten rum sind. Während meine Ma die Zeit an der frischen Luft genießt, mag ich mehr den Hallenduft ????.
Nun dürft ihr wieder in die Halle, wie muss ich mir dein Training heute vorstellen?
Wir dürfen nur zu fünft in die Halle, also ein Trainer und vier Turnerinnen. Dadurch trainieren wir nur vormittags. Das Nachmittagstraining findet weiterhin zuhause statt. Mittelkörper- und Fußstabilität kann man gut allein und zuhause trainieren.
Neu ist auch, dass ihr täglich eine Balletteinheit einlegt.
Genau, dass wollten unsere Trainer immer mal ausprobieren, jetzt ist die Gelegenheit günstig, weil die nächsten Wettkämpfe frühestens im Herbst stattfinden. Wir tanzen, schulen unsere Drehungen und bekommen neue Impulse, das finde ich sehr gut. Ist eine coole Sache.
Wer hilft dir beim Training zuhause?
Für die Krafteinheiten trainiere ich mit Video-Workouts von Youtuberin Pamela Reif, die ein paar krasse Bauchübungen hat. Die haben mich echt fit gehalten und tun es immer noch. Knöchel, Bauch und Schulter haben inzwischen eine gute Stabilität.
Was ist mit der Schule, vermisst du sie?
Es war schon eine lange Zeit mit virtuellem Unterricht und ging ganz gut. Aber inzwischen vermisse ich meine Mitschülerinnen. Da möchte ich jetzt wieder mehr hinschauen und mit den Leuten Spaß im Unterricht haben.
Und wie lief deine Freizeit, hast du, wie Viele, Netflix rauf und runter geschaut?
Tatsächlich nicht, ich habe noch mehr gelesen, als sonst. Etwa die Biografien von Marcel Hischer und Anna Veith, den österreichischen Rennski-Idolen. Beide geben tiefe Einblicke in die einsamen Momente als Spitzensportler, etwa, wenn sie kurz vor dem Start im Starthäuschen oben stehen und alles ausblenden, um ganz bei sich zu sein. Das hat mich sehr inspiriert.
Kannst du von so erfahrenen Profis etwas abschauen oder mitnehmen?
Zuerst ist es einfach gut zu wissen, dass ich mit diesen nervösen Momenten nicht allein bin. Zudem ist es interessant zu erfahren, wie sie sich motivieren, wie sie ihren harten Trainingsalltag bewältigt haben. Natürlich arbeiten wir hier im Zentrum auch mit einer Mentaltrainerin und bauen diese Situationen, wenn ich vor der Übung stehe und meine Hand hebe, als Zeichen an die Kampfrichter, ganz bewusst mit ins Training ein. Mir hilft es, mich auf meinen Atem und meinen Körper zu fokussieren, damit die Gedanken nicht so sehr abschweifen.
Der Regen ist inzwischen stärker geworden. Weil die Umkleideräume im Leistungszentrum derzeit geschlossen sind, witzelt Emi, dass sie nun wenigstens geduscht sei bis ihr Vater kommt und sie abholt. Und da biegt der Chauffeur auch schon um die Ecke. Danke für das Interview, liebe Emi. Alles Gute und viel Erfolg!
Und hier geht´s zu den Interview-Videos bei Facebook: Teil 1 und Teil 2.