Sie hat einen eigenen Abgang – den Petz – kreiert und träumt von Tokio. RIVA spricht mit der Gewinnerin der Backnanger Sportlerwahl 2019: Emi Petz.
Zum Termin in Olympiastützpunkt in Stuttgart, direkt hinter dem Neckarstadion, das heute Mercedes-Benz-Arena heißt, begrüßt uns eine strahlende Jugendliche. Der Händedruck ist fest. Man spürt, dass Emi viel (be-)greift, ihr Leben im Wortsinn im Griff hat. Sie greift sich eine große Würfelmatte und nimmt am Hallenrand darauf Platz. Im lockeren Schneidersitz ist das Ausnahmetalent ready fürs Interview.
Wie sieht denn eigentlich dein normaler Tag als Leistungsturnerin aus, Emi?
Emi: Schon stressig, ich stehe um 5:20 Uhr auf. Mach mir ein Porridge zum Frühstück und dann muss ich die S-Bahn kriegen. Um 7:15 beginnt das Training, das zwei Stunden dauert. Danach schnell umziehen und in die Schule, ich gehe aufs WG in der Cotta-Schule in Stuttgart-Ost. Von ein bis zwei Uhr ist Pause, naja nicht wirklich. Ich muss in der Zeit mein Meal-prep essen und wieder zum Stützpunkt radeln. Bis 17 Uhr ist das zweite Turntraining an dem Tag, inklusive Krafteinheit. Nach dem Ausdehnen gehe ich noch zur Physio und oft holt mich mein Papa ab, oder ich fahre mit der S-Bahn nach Hause. So geht das fünf Mal in der Woche. Und an den Wochenenden sind oft Wettkämpfe. Für den MTV Stuttgart turne ich ja in der 1. Bundesliga.
Sympathisch und fokussiert: Emi Petz beim Training im Olympiastützpunkt ins Stuttgart.
Klingt nach einem harten Tagesprogramm und wie sieht dein Abend aus?
So wie bei den meisten anderen Teenagern auch, vermute ich. Duschen, zu Abend essen, Hausaufgaben erledigen, Grey’s Anatomy schauen – und spätestens um halb zehn liege ich im Bett. Ich brauche meine acht Stunden Schlaf.
… und nebenher bist du noch auf Instagram unterwegs, was deine 13.000 Follower schätzen.
Das geht so nebenher. Die Fotos macht oft mein Papa oder Freundinnen. Ich merke, dass die Leute es mögen, wenn ich Einblicke in meinen Alltag gebe. Und ich mag es auch…
Es gibt diese schöne Anekdote, dass du mit vier Jahren deine Trainerin gefragt hast, ob du hier Weltmeisterin werden kannst. Wann war denn wirklich der Zeitpunkt, als du gewusst hast: Ich will Turnen zu meinem Beruf machen?
Mit dem Wechsel von der Grundschule in die fünfte Klasse war klar, dass alles noch intensiver wird. Da bin ich nach Stuttgart gewechselt und seither trainiere ich hier täglich fünf Stunden. Morgens zwei Geräte und am Nachmittag die zwei anderen.
Die Geräte der Frauen sind Boden, Barren, Balken und Sprung, und was willst du nach deiner Turnkarriere machen?
Lehramt studieren. Die Fächer weiß ich noch nicht. Aber auf keinen Fall Sport oder Mathe. Mein Lieblingsfach in der Schule ist Englisch.
Doch dieses Jahr hast du noch ein anderes Ziel: Olympia. Wie stehen deine Chancen?
Ich hoffe gut. In der Nationalmannschaft sind wir ein knappes Dutzend Athletinnen, die eine Chance auf das Ticket haben. Die Entscheidung fällt im Juni, also erst einen Monat vor den Spielen. Ausschlaggebend wird auch sein, verletzungsfrei zu bleiben.
Wenn es denn klappt und du wärst in Tokio dabei, was wäre dein Ziel?
Ich würde gerne einen guten Wettkampf turnen. Und mit meiner Leistung zufrieden sein. Dass ich alles gegeben habe. Wenn wir es dann mit dem Team ins Finale schaffen, wäre das genial.
Der Druck auf dich scheint groß zu sein, wie gehst du damit um?
Wir haben auch Mentaltrainer, mit denen wir uns unterhalten könne. Für mich ist wichtig, einen möglichen Druck von außen nicht zu mir zu nehmen. Ich möchte das Turnen für mich machen. Und nicht, um etwas beweisen zu müssen.
Zeit für Fotos. Wegen Emelies Verletzung sind Turnbilder nicht möglich. Aber das sympathische Nachwuchstalent posiert gekonnt vor der Kamera. Immer ein Lächeln im Gesicht, immer in perfekter Haltung. Ein echter Profi, mit gerade einmal 16 Jahren. Nach gut einer Stunde ist der Termin beendet. Wir fragen Emi, ob wir sie mit nach Backnang zurücknehmen sollen. „Ich frag mal meinen Papa“, sagt sie und verschwindet zum Telefonieren. Und auf einmal ist das gefragte Ausnahmetalent ein ganz normales Mädchen.