Alby El Houcine stammt aus Marokko, studiert in Wiesbaden Bauingenieurswesen und ist bei RIVA als Projektleiter beschäftigt. Zwei Mal täglich steht er von einem Schreibtisch auf und geht beten. Der gläubige Muslim ist mit 48 Jahren so etwas wie ein Ältester im Betrieb, für die Kollegen ist klar: er ist der Vorbeter.
Alby El Houcine ist Ingenieur und Vorbeter, er arbeitet seit 2010 bei RIVA als Projektleiter.
Wenn El Houcine zum Gebet geht, dann kann er zwei Gebetsräume auf dem RIVA-Gelände aufsuchen. Beide wurden 2012 und 2014, als die Hallen 1 und 2 gebaut wurden, eingeplant und realisiert. Täglich treffen sich hier mehrere Mitarbeiter muslimischen Glaubens, um ihre Gebete zu sprechen.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Raucherecken gibt es in fast jedem deutschen Betrieb. Aber gleich zwei Zimmer für das Gespräch mit Allah? Bekannt sind die Glaubensräume am Frankfurter Flughafen. Direkt nebeneinander liegen dort Kapelle, Synagoge und Moschee. Ansonsten finden sich in der Wirtschaft jedoch kaum Orte für Spiritualität.
Traumprojekt Mekka
Bei RIVA ist das anders. Der größte Kunde des Mittelständlers ist ein Bauunternehmen in Mekka. Der schwäbische Fassadenbauer entwickelt, fertigt und liefert seit Jahren Bauteile für die Heilige Moschee. Das ist auch der Grund, wieso Alby El Houcines Arbeitsplatz seit zehn Jahren in Backnang ist. „Für einen gläubigen Muslim ist es ein Traum, für Mekka zu arbeiten“, sagt der Vater zweier Töchter, der nach dem Abitur aus Nordafrika nach Deutschland kommt, um zu studieren.
Eigentlich will er danach wieder zurück in die Heimat, dort leben seine sechs Geschwister, die meisten studieren in Marokko und arbeiten anschließend als Lehrer. Doch nach ersten Jobs in Mainz und Oldenburg findet der Ingenieur die Stellenanzeige von RIVA. Inzwischen arbeitet er seit zehn Jahren als Projektleiter, ist mehrmals im Jahr in Saudi-Arabien auf der Mega-Baustelle und absolviert seinen persönlichen Haddsch, die obligatorische Pilgerreise nach Mekka.
Herausforderung Mega-Baustelle
Dabei füllt sich sein Herz mit Stolz. “Es ist sehr beeindruckend, mit vier Millionen Gläubigen am heiligen Ort ist zu sein”, sagt El Houcine, der intensiv mit baut an der Pilgerstätte. 22 Kilometer Balustraden aus massivem Aluminium, mit kunstvollen Ornamenten verziert, liefert RIVA nach Mekka. Projektleiter ist El Houcine. Er sieht diese und viele andere Bauteile, wenn er vor Ort ist. Etwa sechs Meter hohe Erker in Holzoptik, 40 Meter hohe Türelemente aus Glas und vollautomatische Stahl-Glasdächer mit einer Öffnung von 32×18 Meter.
Beten erlaubt: Täglich knien Gläubige auf Gebetsteppichen im RIVA-Werk.
Üblicherweise ist im Juli Haddsch-Time. Die wird 2020 wohl ausfallen. El Houcine plant trotzdem weitere Projekte. Mekka ist noch für Jahre eine der größten und wahrscheinlich gefährlichsten Baustelle der Welt. 2015 stürzt ein Kran um und erschlägt mehr als 100 Menschen. Ein jahrelanger Baustopp, der erste Ende 2019 aufgehoben wird, ist die Folge. Und auch aktuell ruht die Baustelle. Die Corona-Pandemie erfasst Saudi-Arabien.
Fünf Mal täglich
Währenddessen geht El Houcine in Backnang zum Mittagsgebet. Fünf Mal wird er, wie jeden Mittag, niederknien und mit der Stirn den Gebetsteppich berühren. Über seine Lippen fließen Suren. „Man muss schon den Koran ein wenig kennen, um Vorbeter zu sein“, sagt der große, stämmige Mann mit breitem Lächeln, das strahlenden weiße Zähne zeigt. Bis zum Abitur sitzt er im Islamunterricht, seither betet er mehrmals täglich Richtung Osten.
Das sieht auch sein Chef, Hermann Püttmer. Noch in der Gaildorfer Straße, dem alten Firmensitz von RIVA, verschwindet El Houcine gegen halb zwei und halb drei zum Gebet. Eine kleine Abstellkammer dient ihm als Gebetsort. Püttmer plant zu dieser Zeit den Neubau in den Lerchenäckern – und findet Platz für die beiden Gebetsräume. Die im Übrigen auch die Gäste aus Nahost sehr schätzen. Fünf bis sechs Mal jährlich reisen Delegationen aus Saudi-Arabien an, um Projekte zu besprechen.