Wie RIVA und Mitarbeiter durch die Krise manövrieren
„Enttäuscht sind wir, weil wir den Platz für die Kinderbetreuung zurückgeben müssen“, sagt Alexandra Rogojinaru (links im Bild). Die 32-jährige Mutter eines Sohns arbeitet seit Dezember 2014 bei RIVA GmbH Engineering. Ihr Mann Catalin-Claudiu (rechts im Bild) unterschreibt zwei Monate später seinen Arbeitsvertrag. Das Ehepaar ist, wie viele Kollegen aus der Produktion, seit März in Kurzarbeit. Coronabedingt. Der Grund ist ein Baustopp in Mekka. Rivas größtes Projekt, die Heilige Moschee, kann, seitdem das Virus auch in Saudi-Arabien grassiert, nicht weitergebaut werden.
Zeit für Weiterbildung
Auf den Platz für den Sohn haben die Rogojinarus ein Jahr lang gewartet. Doch weil durch Kurzarbeit Geld in der Haushaltskasse fehlt, betreut das Ehepaar den Siebenjährigen selbst. Etwa 1000 Euro groß klafft das Loch, der aus Rumänien stammenden Familie – monatlich. „Wir haben mit Riva einen sehr guten Arbeitgeber“, ist Catalin Rogojinaru überzeugt. Alexandra ist gelernte CNC-Fräserin, Catalin arbeitet in der Holzabteilung. Die freie Zeit nutzen beide. Sie schließt ihren Meister ab und beginnt eine Weiterbildung zum technischen Betriebswirt (TBW), er arbeitet früher auf dem Bau und renoviert jetzt die gemeinsame Wohnung. Und dann ist da auch noch die Familie. Ihr Vater ist schwer krank und stirbt im August. Nicht an Covid, aber an Krebs. Für Trauer und Abschied sei durch die Corona-Krise mehr Zeit als früher. Die Rogojinarus gewinnen dem Ganzen etwas Positives ab.
Investition verschoben
Das Gespräch findet zuhause in Winnenden statt. Beiden ist der optimistische Blick auf das Leben anzumerken. Sie sitzen am Esstisch und erinnern sich mit ein wenig Wehmut an ihren „Way of Life“, den RIVA bislang sehr prägt: Durch die Schichtarbeit, sie in der Früh, er am Nachmittag und Abend, gelingt der Spagat zwischen Familienleben, seinem Hobby, dem Krafttraining, und ihrer zeitaufwändigen Weiterbildung. Ihr Leben läuft, wie es so schön heißt. Die Rogojinarus planen noch im Frühjahr einen Wohnwagen anzuschaffen, für den jährlichen Urlaub auf Sardinien. Und auch eine eigene Wohnung wollen die beiden bald besitzen. Beides ist verschoben.
Werkshalle statt Baustelle
Die Kurzarbeit federt das Ehepaar durch Verzicht ab, doch die Ungewissheit nagt an ihnen. Wann kommt der Anruf, wann dürfen wir wieder arbeiten? Das sind Fragen, die sie beschäftigen. Oft auch in der Nacht. Catalin sagt: „Wir tragen das RIVA-Logo mit Stolz“. Für den 40-Jährigen ist der Job in den Lerchenäckern „wie im Himmel zu arbeiten“. Seine Frau drängt ihn, nicht noch länger auf kalten Baustellen Geld zu verdienen. Oft kommt er in den Wintermonaten durchgefroren nach Hause. Die Jobs im Rohbau sind hart. Bei RIVA arbeitet er in Halle drei. Klimatisierte Umgebung. Nur an heißen Sommertagen drückt die Kraft der Sonne so stark durch die Glaswände, dass es warm wird. Catalin winkt ab, wenn Kollegen über Hitze klagen. Diesen Sommer hätten wohl alle gerne in der Halle geschwitzt. Doch fast jeder aus der Produktion ist in Kurzarbeit. Größtenteils zu 100 Prozent.
Geld reicht aus
Bei Johann Karlin sind es derzeit 50 Prozent, die er weniger arbeitet. Der 34-jährige Mediendesigner sitzt bei RIVA in Halle eins, dort entwirft und entwickelt er 3D-Animationen. Weil der ledige Backnanger keine Kinder hat, überweist ihm das Arbeitsamt für die Fehlzeiten 60 Prozent seines Nettogehalts. „Im Moment komme ich gut damit hin“, sagt der gebürtige Kasache, dessen Familie bei Cloppenburg lebt.
Etwas mulmig ist ihm vor einer möglichen Steuernachzahlung, die 2021 droht. Kurzarbeitergeld wird erst mit dem Lohnsteuerjahresausgleich versteuert. Auch Karlin nutzt die freie Zeit, er baut sein Arbeitszimmer um. Die gesenkte Mehrwertsteuer nutzt er, um sich Hardware-Komponenten zu kaufen und diese auf Heimaturlaub bei seinen Eltern zu einem „Superrechner“ zusammenzuschrauben. „Seither arbeite ich mich in neue Software-Programme ein“, führt Karlin aus. Die Zeit von Mitte März bis Juli hingegen lässt er es ruhiger angehen. „Ich habe viel geschlafen“, sagt er. Und stellt fest, dass dies wohl nötig war und gutgetan hat. Der Lockdown als Entschleuniger, etwas, das öfters zu hören ist.
Neuer Geschäftsführer: Marcus Püttmer.
Der Energiepark
RIVA-Chef Marcus Püttmer wiederum ist seit 1. Juli in Verantwortung. Mitten in der Corona-Zeit übernimmt der Sohn von Firmengründer Hermann Püttmer das Ruder. Auch er lässt den Betrieb in Kurzarbeit. Die Baustelle in Mekka zwingt dazu. Aber der Wirtschaftsingenieur nutzt die Zwangspause, um die Firma neu auszurichten. Aus dem reinen Fassadenbauer soll ein Technologieunternehmen werden. Hier spielt die Fassade als wichtigste Einzeldisziplin im Bau eine maßgebliche Rolle. Sein Projekt: der RIVA Energiepark. Auf 2000 m² soll ein Showareal entstehen, ein wegweisendes Kompetenzzentrum, das für ökologische, dezentrale Energieerzeugung und -speicherung steht. Vom Blockheizkraftwerk über Lithium-Ionen-Speicher, Kaskadenwärmepumpen bis zu Brennstoffzelle und Photovoltaikanlage soll der Energiepark knapp 20 Stationen haben, die ressourcenschonende Energieproduktion erlebbar machen.
Kraftakt geplant
„Dieser Park ist der erste deutschlandweit, der umfangreich darstellt, wie umweltschonend Energie gewonnen und gespeichert werden kann“, sagt Marcus Püttmer. Dass diese Investition ein Kraftakt werde, sei klar. Dennoch ist der neue Chef optimistisch. „Sobald wir wieder in Mekka arbeiten können, werden wir die Kurzarbeit aufgeben“.
Nachrichten, die die Rogojinarus sicher gerne hören. „Am Anfang war es ja ganz ok zuhause zu sein, aber jetzt wollen wir wieder arbeiten“, sagen beide unisono.